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Definition „Experimental Travel“
Vor einigen Jahren wurde ich auf den „Lonely Planet Guide to Experimental Travel“ von Joël Henry und Rachael Antony aufmerksam. Die Idee ist grob gesagt, dass man anstatt eine Reise akribisch zu planen und dann mit Hilfe von Reiseführern und Smartphone touristische Sehenswürdigkeiten hinteinander abzuhaken, das Reiseziel auf spielerische Weise entdeckt und dadurch Details wahrnimmt, die individuelles Erleben ermöglichen und näher zur Lebenswirklichkeit in den Orten führen können.
Joël Henry, beschreibt Experimentelles Reisen so:
«Experimental travel evades definition, but it can loosely be described as a playful way of travelling, where the journey’s methodology is clear but the destination may be unknown»
Im Buch werden 40 Möglichkeiten vorgeschlagen, eine Stadt oder eine Gegend zu erkunden, z.B. „Ästhetische Reisen“, „Counter Tourism“ (Das Gegenteil von dem tun, was ein Tourist tun würde“), Reiseziele auswürfeln, Reisen ans Ende einer Bahn-/Bus-Linie oder 24 Stunden auf einem Flughafen verbringen, ohne ein Flugzeug zu nehmen (derzeit keine gute Idee!).
Erster Versuch in Lindau am Bodensee
Im Sommer vor drei Jahren unternahm ich eine experimentelle Reise nach Lindau. Ich benutzte keinen Reiseführer und googelte nicht über das Reiseziel. Für meinen Aufenthalt wählte ich die Methode „Automatic Travel“, die im Buch wie folgt beschrieben wird:
„…escape from the constraints of reason by travelling automatically (i.e. without thinking) and see where your subconscious takes you.“
Morgens reiste ich mit dem (vorgebuchten) Flixbus an. Als erstes erkundete ich das nahe Einkaufszentrum und entdeckte dabei ein schönes Selbstbedienungsrestaurant, in dem ich lange gemütlich sitzen blieb, Leute bebachtete und über ein aktuelles Problem nachdachte.
Dann lief ich spontan los, am Bodenseeufer entlang. Blöderweise gelangt man in Lindau nach kurzer Zeit auf die Insel, auf der die gesamte Altstadt liegt, aber einen Tag lang schlenderte ich ziellos durch die Gassen und entdeckte touristisch Sehenswertes nebenbei, z.B. eine Ausstellung mit Gemälden von Paul Klee, von der ich nichts gewusst hatte. Etwas schwierig war es eine Unterkunft zu bekommen, aber schließlich kam ich relativ günstig in einem sehr schönen Hotel am See unter. Allein das Frühstück mit Blick auf die Seepromenade am nächsten Morgen war jeden Euro wert. Am zweiten Tag zog ich aber doch ein kleines Besichtigungsprogramm nebst Bootsfahrt auf dem See durch. Am Nachmittag entschied ich mich spontan, mit dem Zug nach Hause zu fahren.
Eine Kamera hatte ich nicht mitgenommen. Ganz konnte ich es aber doch nicht lassen und nahm einige wenige Fotos mit dem Smartphone auf. Interessanterweise sind diese Bilder in meinem Fotoarchiv nicht mehr auffindbar, so dass ich alleine auf meine Erinnerungen angewiesen bin. Eine wieder ganz neue Erfahrung!
„Experimental Travel“ auf Fernreisen ?
Auf Fernreisen hatte ich „Experimental Travel “ nicht eingeplant. Schließlich war ich um die halbe Welt geflogen, um herausragende Sehenswürdigkeiten zu sehen und hatte nicht genug Zeit, um auch noch „experimentell“ unterwegs zu sein. Als ich aber auf meiner Reise durch Japan nach vielen Tempelbesuchen schon völlig übersättigt war, fuhr ich mit dem Zug nach Fukuoka, wo ich zwei Tage lang nichts besichtigen wollte. Vielmehr ging ich nach dem Verlassen des Hotels spontan in eine Richtung und folgte mehr oder minder der Methode „Automatic Travel“. Dabei entdeckte ich zufällig mehrere Plätze, an denen die Einheimischen das Wochenende genossen, u.a. das erste japanische Hanami (Picknick unter den blühenden Kirschbäumen), und es wurde mir überhaupt nicht langweilig. Fukuoka gefiel mir ausnehmend gut ( s. hier ).

„Experimental Travel“ in München und die Farbe „Blau“
Im letzten Sommer dachte ich, dass Experimental Travel in Corona Zeiten eine gute Möglichkeit wäre, den Wohnort neu zu erkunden. Nun probierte ich „Abwechselnde Reisen“ aus, bzw. „Links-/Rechts-Reisen“. An einem Ort, der nicht weit von zu Hause entfernt liegt, lief ich los. Im Buch wird vorgeschlagen, an der ersten Möglichkeit links abzubiegen und dann an der nächsten rechts. Stattdessen wechselte ich zu zwei rechts/zwei links, weil ich mich etwas weiter von zu Hause entfernen wollte. Da es in unserem Vorort nicht so spannend aussieht und ich viele Straßen von meinen Corona Spaziergängen schon gut kannte, stellte ich mir eine weitere Aufgabe aus der Kärtchensammlung „Anywhere Travel Guide“ , und zog das Kärtchen „Look especially for everything blue“.
Bei großer Hitze schlappte ich los und entdeckte vieles in Blau, das mir normalerweise nicht bewußt aufgefallen wäre. Blau ist eine ruhige Farbe, sie signalisiert Frieden und Entspannung. Im Unterschied zu Rot oder Gelb hat Blau keine Warnfunktion. Blau wird auf Verkehrsschildern verwendet, um auf Erlaubtes (z.B. auf Parkmöglichkeiten) hinzuweisen. Blau soll Vertrauen schaffen, daher wird es oft auf Firmenschildern verwendet.
Blau ist eine Farbe der bayerischen Flagge („weiß-blau“ nicht „blau-weiß“). In der bayerischen Hauptstadt sieht man überall Blau. Der Münchner Verkehrsverbund betreibt blaue Busse und Straßenbahnen. Deren Innenausstattung ist meistens blau und alle oberirdischen Haltestellen und der Zugang zur U-Bahn sind so gestaltet. Alle Straßen- und die Hausnummernschilder in München sind blau. Blau war der Himmel an diesem heißen Sommertag. Blau steht für Wasser und besonders das helle Blau erzeugt eine maritime Stimmung. Blaue Blumen sind selten und oft giftig (z.B. der Eisenhut). Blaue Lebensmittel sind in der Regel chemisch gefärbt, z. B. Blaubeerjoghurt und Speiseeis.
Die Komplementärfarbe Gelb wird manchmal zusammen mit Blau verwendet, um das Design eines Objektes aufzupeppen. Das erinnert mich an die „Postbank“ und ich finde, dass Blau in dieser Kombination plaktativ wirkt und den beruhigenden Charakter verliert.
Aber nun genug der Worte: schaut selber!
Mit der Zwei rechts/zwei links Methode landete ich nach einiger Zeit an der Bahnlinie. Dann wurde es mit dem Rechtsabbiegen schwierig, weil es nur wenige Brücken in fußläufiger Entfernung zueinander gibt. Einmal zählte ich sogar die Zufahrt zu einer Bushaltestelle als rechte Abbiegung, damit ich bei der nächsten Brücke die Gleise überqueren konnte. Hier wirkte sich meine Ortskenntnis nachteilig aus. Immerhin gelangte ich über die Brücke in ein Stadtviertel, das ich noch nie zu Fuß betreten hatte. Ich entdeckte, dass es dort nicht nur ein Gewerbegebiet sondern auch Wohnungen gab. Schließlich befand ich mich wieder an einem Bahngleis und dann sogar zwischen zwei Bahnstrecken, die ich nach einigem Hin- und Her überqueren konnte. Nun entdeckte ich eine kleine, mir bis dahin unbekannte Parkanlage, in der ich mich im Schatten von der Hitze erholte. Zurück an der Hauptverkehrsstraße beschloss ich, das Experiment zu beenden, trank noch einen Cappuccino und fuhr dann mit dem Bus zurück.
Als ich nachschauen wollte, wieviele Schritte ich zurückgelegt hatte, sah ich, dass ich meinen Fitnesstracker verloren hatte. Das führte dazu, dass ich einen Großteil der Strecke noch einmal ging um zu suchen, aber leider ohne Erfolg.
Fazit :
Ein bis zwei Tage „Automatic Travel“ eignen sich bei längeren Reisen sehr gut zur Reduzierung des Besichtigungsstresses. Zwei rechts/zwei links ist ein einfache Methode, die man gut am Wohnort ausprobieren kann. Sie funktioniert aber besser, wenn man durch ein unbekannte Gegend spaziert. In München gibt es viele Stadtviertel, in denen ich mich nicht auskenne. Dort würde ich beim nächsten Mal starten. In Corona Zeiten könnte einige Methode gute Alternativen zu klassichen Reisen bieten.
Die „Anywhere Travel Guide“ Kärtchensammlung bietet sehr viele Möglichkeiten, um Stadtspaziergänge, auch bei geschlossenen Institutionen, spannend zu gestalten. Manches passt zu Corona Zeiten nicht so gut, z.B. einen Gegenstand mit einem Fremden zu tauschen oder Passanten anzusprechen. Anderes mag man persönlich nicht, u.a. „Walk down the street in a funny way“. Aber dann zieht man einfach so lange Kärtchen, bis es passt. Natürlich geht das Ganze auch ohne Kombination mit „Experimental Travel“.
PS:
Nur wenige blaue Autos fahren in München zur Zeit. Die Farbe ist aus der Mode gekommen. Hauptsächlich Firmenautos sind so lackiert. Persönlich würde ich auch eine andere Autofarbe vorziehen. Aber zur Zeit, mit einer dicken Haube Schnee, sehen sie doch nicht schlecht aus. Fast Bayerisch …

Wie geht es euch auf Reisen ? Wollt ihr manchmal auch spontaner reisen und wie stellt ihr das an? Über euer Feedback freue ich mich immer sehr.
Es ist auf jeden Fall ein neuer Weg, die Orte zu betrachten 🙂
Lg Kasia
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Gute Idee 😊! Hoffentlich geht das bald wieder.
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Auf einer Auslandsreise würde ich höchstens einen oder zwei Tage in Bezug auf Sehenswürdigkeiten pausieren. Aber am Wohnort reizt es mich es mich schon, noch weitere Methoden auszuprobieren.
Wenn es dich interessiert schau doch mal ins Buch. Ist teuer, gibts aber antiquarisch.
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Nachdem ich die Schwerbehinderten-Freifahrtmarke erhalten hatte, habe ich eine Weile lang ganz begeister Zugroulette gespielt: Ich bin zum Hauptbahnhof, und dort in den erstbesten Regionalzug eingestiegen, der kurz vor der Abfahrt stand, egal, mit welchem Ziel. 😉 Das hat mir ein paar interessante Tagestouren beschert. 😉 Könnte ich nach Corona auch mal wieder machen…
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Interessanter Beitrag und mal was anderes! Wie lustig, diese „intuitive“ Art zu reisen, also einen Ort entdecken, als wäre er einem völlig unbekannt – das ist die Art zu reisen, die ich zu Anfang selbst ganz gerne mal praktizierte. Ich bin einfach mal los, um ein Reiseziel mit meinen eigenen Augen auf meine Weise zu entdecken, ohne voreingenommen zu sein. Zu viel Information vorab kann dem entgegen wirken.
Doch inzwischen bin ich davon abgekommen, denn ein Ziel auf diese Weise anvisieren bedeutet meist einfach, uninformiert irgendwohin zu reisen, und das kann einen nicht nur um schöne Erlebnisse bringen, sondern unter Umständen gefährlich sein.
Die Reiseziele auszuwürfeln reizt mich sehr. Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, einfach mal mit meinem Liebsten an den Flughafen zu gehen und zu schauen, was da an Last Minute Flugplätzen so umher schwirrt. Dann das nächste Ziel, das uns gefällt und greifbar ist. Daraus ist freilich nie was geworden, denn zu oft haben wir feste Ziele vor Augen, die wir UNBEDINGT besuchen wollen, dann werden Pläne geschmiedet und am Ende wissen wir schon zwei Jahre vorher genau, wohin es uns verschlägt (manchmal ändert sich das spontan, wenn wir mal wieder eine tolle Reportage sehen, aber das ist eine andere Geschichte…).
Das Gegenteil tun von dem, was ein (typischer) Tourist tun würde. Bedeutet für mich: keine Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Ich weiß nicht – manches gehört für mich einfach dazu. Das ist so wie nach Paris zu fahren und kein einziges Mal den Eifelturm zu Gesicht zu bekommen. Sehenswürdigkeiten sind oft deshalb so beliebt, weil sie nun mal sehenswert sind… Aber eine Sehenswürdigkeitentour mit Häckchen dran, das mache ich auch nicht, es ist nicht schlimm, wenn man mal was auslässt. Etwas langsamer unterwegs sein und mehr Zeit für „Nebensächliches“ zu haben ist auch okay…
Mit der Straßenbahn bis ans Ende der Haltestelle zu fahren, nein, nicht wirklich. Denn die Endhaltestellen sind oft in einer Gegend, da will man nicht unbedingt aussteigen, wenn man nicht muss…
Deine Erfahrungen sind sehr spannend. Oft ist es so, dass man, ohne es zu planen, sowieso bei den interessanten Dingen landet… 😉
Liebe Grüße
Kasia
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Danke 😊. Ich plane meine/ unsere Reisen auch detailliert. Die Erste und letzte Unterkunft werden vorgebucht und die anderen zwischendrin immer mit ca. 1- 2 Tagen Vorlauf, um flexibel zu bleiben. An Hauptreisezielen buche ich auch stornierbare Hotels. Auch den Hin- und Rückflug buche ich von zu Hause. Aber zwischendurch mal einen Gang herunter zu schalten, ist sehr wohltuend. Und Experimental Travel eignet sich gut für Nahziele und bietet evtl. einige Anregungen zum Unterwegssein in Corona Zeiten.
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Ganz anders bei uns: wir planen unsere Reisen ziemlich genau vor und buchen nicht nur die Fluege, sondern auch die Unterkuenfte. Hierzulande, wenn wir per Auto unterwegs sind, natuerlich nur die Unterkuenfte. In der letzten Zeit haben wir mehr ans spontane Reisen gedacht, und dafuer, aber auch, weil man da z.B. auch ueber Nacht in National- bzw. Staatsparks bleiben kann/darf, an die Anschaffung eines Wohnmobils oder Campinganhaengers. Das kostet aber noch einige Ueberlegung, ob ueberhaupt.
P.S. apropos Alles im Vorhinein buchen: Im vergangenen Jahr haben wir richtig Glueck gehabt, dass wir zwei 4-woechige durchgeplante und mit allem Drum-und-Dran gebuchte Reisen [im Mai Irland und im August Deutschland] stornieren konnten, ohne dass es uns einen Pfennig gekostet hat.
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Genau! 🙂
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Danke 😊. Genauso geht es mir auch oft. Am besten ist man dann alleine unterwegs und muss sich nicht mit einer Begleitung abstimmen.😉.
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Zwei meiner Florida-Reisen habe ich recht spontan unternommen, d. h., ich buchte lediglich die Flüge und den Mietwagen, und ließ mich dann eigentlich mehr oder weniger treiben. 😉 Auf meinen Touren hier in Bayern halte ich das auch gerne so. Ich setze mir ein grobes Ziel, und lass mich dann überraschen, was ich dort entdecke. Da kann es dann schon vorkommen, dass ich eigentlich von A nach B wandern möchte – und schlussendlich irgendwie völlig überraschend in C oder D lande. 😉
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