Auf dem Französischen Jakobsweg #9

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Von Charavines nach Le Grands-Lemps am 3.8.2022

Das war definitiv nicht mein Tag auf der Via Gebennensis. Im Hotel wurde erst um 8:30 Uhr Frühstück serviert. Obwohl ich vorher alles gepackt hatte, konnte ich so erst um kurz nach 9 Uhr mit der Wanderung beginnen. Ich wollte an diesem Tag bis La Côte-St-André laufen, wo ich eine Unterkunft gebucht hatte. Die Strecke betrug 25 km. Langsam laufend und mit vielen Pausen konnte ich das wie bisher schaffen. Ich dachte allerdings, dass ich durch meine Übernachtung am Lac Paladru einige Kilometer eingespart hatte. Dass das nicht zutraf, sollte ich bald merken.

Am Vortag hatte ich den Camino in Le Pin verlassen, weil ich dort keine Unterkunft gefunden hatte. Die Dame in der Touristeninformation in Charavines hatte mir empfohlen, ein Stück auf der Straße nach Le Pin zurück zugehen und dann auf einen Wanderweg abzuzweigen, um auf den Camino zurückzukehren. Mir geht es grundsätzlich gegen den Strich, zurückzulaufen, um auf den Jakobsweg zu kommen, also suchte ich mir eine Alternative heraus. Ich folgte der Straße nach Oyeu, von der ich abbiegen wollte, um in Blaune wieder auf den Pilgerweg zu treffen. Die kleine Straße stellte sich als relativ stark befahren heraus. Es ging bergauf und das Laufen auf dem Asphalt, der meistens in der prallen Sonne lag, strengte mich sehr an. Es kam dazu, dass ich wegen meiner Rückenschmerzen schlecht geschlafen hatte und meine Achillessehne während der ersten beiden Kilometer bei jedem Schritt schmerzte.

Kurz bevor ich die Via Gebennensis wieder erreichte, bot mir ein älteres Ehepaar (etwa so alt wie ich, aber ein altes Ehepaar sagt man nicht, das hört sich nach einer sehr langen Ehe an), das gerade in seinem schattigen Hof kehrte, Wasser und Kaffee an. Ich muss wohl schon ziemlich erschöpft gewirkt haben. Bei angenehmerer Temperatur saß ich mit ihnen im Hof und plauderte. Er war ein ehemaliger Musikprofessor und sehr stolz auf seinen Hund, einen kleinen süßen Scotch Terrier. Ich bedankte mich für die nette Erfrischung und zog frisch gestärkt los.

Bei Cuétan unterquerte ich die Autobahn und dann begann ein recht steiler Anstieg. Schon zu Beginn musste ich mich auf eine Bank setzen. Nachdem ich viel getrunken und einen kleinen Snack gegessen hatte, brach ich wieder auf.

Laut Pilgerbuch sollte ich nun „auf dem holprigen Feldweg deutlich an Höhe gewinnen“. Tatsächlich handelte es sich nur um eine Steigung von ca. 100 m. Bei über 30° C ging ich sehr langsam in der prallen Sonne, aber plötzlich nach der Hälfte des Anstiegs konnte ich nicht mehr. Ich setzte mich auf den Weg und versuchte, mit Traubenzucker und Wasser wieder fit zu werden. Nun erkannte ich, dass ich es nicht nach La Côte-St-André schaffen würde. Die 25 Km waren einfach zu viel für mich bei dieser Hitze. Ich beschloss, nach der Hälfte der Strecke in Le Grand-Lemps einen Bus oder ein Taxi zu nehmen.

Bis zum Höhenweg an der Ferme de Futeau schleppte ich mich weiter hinauf. Das weite Panorama, das sich dort zeigte, konnte ich aber nicht genießen.

Danach ging es sogleich auf einem Feldweg mit losen großen Steinen bergab. Auf dem Zahnfleisch gehend erreichte ich Le Grands-Lemps.

Fazit:
13,5 km, 4 Stunden, Auf- und Abstieg ca. 150 m,

Mittellange, an für sich leichte Strecke, die im Hochsommer mangels Schatten nicht zu empfehlen ist, nicht sehr abwechslungsreich, aber schöner Panoramablick von der Ferme du Futeau, unterwegs keine Infrastruktur.

In Le Grand-Lemps waren in der Mittagszeit die Bürgersteige hochgeklappt. Mir war nur noch heiß. Auf dem Hauptplatz hatte eine Bar geöffnet. Dort fragte ich nach einer Busverbindung nach La Côte („in drei Stunden“) . Ein Taxi mochte man mir nicht rufen. Selber telefonieren wollte ich nicht so gerne, weil ich die Erfahrung gemacht hatte, dass Anrufe mit einer ausländischen Nummer nicht angenommen wurden. Der junge Kellner empfahl mir dann ein Accueil Jacquaire (AJ) bei einer Familie im Ort.

Die AJ sind Übernachtungen mit Halbpension bei ehrenamtlich tätigen Privatleuten, die Pilger mit Pilgerpass unterstützen. Diese Leistung ist prinzipiell kostenlos, aber eine Spende wird angenommen. Bisher hatte ich diese Unterkünfte nicht genutzt, weil ich gerne unabhängig bin und befürchtete, dass mir der Familienanschluss nicht angenehm wäre.

Ich ließ mich erst einmal mit einer eiskalten Cola auf dem Hauptplatz im Schatten nieder, wo Stühle der Bar standen. Dann rief ich bei der Familie an. Madame bot mir wunderbarerweise an, mich sofort aufzunehmen, als ich ihr erklärte, dass ich pilgerte und nicht mehr weiter laufen könne. Eigentlich soll man bei den AJ spätestens einen Tag vorher anrufen. Danach telefonierte ich mit dem Hotel in La Côte, schilderte mein Problem und konnte meine Übernachtung um einen Tag verschieben.

Die Familie wohnte am Ortsrand. Sogleich wurde ich in den Garten gebeten, wo ich ein großes Glas Wasser bekam und mich zu den Gästen setzen konnte, die gerade ein größeres Essen beendet hatten. Ich wurde nach dem Camino befragt und dann brachte mich Madame auf mein Zimmer. Dieser Raum und das Nachbarzimmer waren mit mehreren Etagenbetten eingerichtet. Erleichtert stellte ich fest, dass ich die gesamte Etage inklusive Bad und Toilette für mich hatte.

Nachdem ich mich etwas ausgeruht hatte, wurde es mir in dem Zimmer unter dem Dach doch zu warm, so dass ich zu einem Spaziergang in den Ort aufbrach. Meine Achillessehnenreizung machte sich wieder bemerkbar. Ich schlich langsam humpelnd zur Kirche. Dann ging ich wieder zu der Bar am zentralen Platz, wo ich ein köstliche Himbeertörtchen zum Kaffee verspeiste. Mit einem Sirop de Menthe sorgte ich für die notwendige Erfrischung.

Danach kaufte ich noch etwas Wanderproviant ein und schlenderte an der historischen Markthalle vorbei zurück zu meiner Unterkunft.

Bei der Familie angekommen fragte ich, ob ich im Garten sitzen durfte, was bejaht wurde, ich solle mich wie zu Hause fühlen. Das ältere Ehepaar (beide um die 70) war nun alleine. Sie empfingen seit über 20 Jahren Pilger. Ich bedankte mich noch einmal dafür, dass sie mich so kurzfristig aufgenommen hatten. Madame antwortete, dass man noch nie einen Pilger in Not im Stich gelassen hatte, und sprach mit mir über die AJ, nachdem ich erwähnt hatte, dass es mein erstes Mal in einer solchen Pilgerunterkunft war. Sie sagte auch, dass man durchaus etwas geben durfte, je nach Finanzsituation und wie es gefallen hatte. Das beruhigte mich, nun fühlte ich mich nicht mehr wie eine Almosenempfängerin.

Im Garten zu sitzen war angenehm kühl und sehr idyllisch. Meine Gastgeber stellten sich als reizende Leute heraus, sehr freundlich, höflich und nicht aufdringlich.

Zum Abendessen gab es einen köstlichen Salat mit Thunfisch, Avocado und selbst angebauten Tomaten, eine vegetarische Quiche mit Zucchini und Fleischgerichte, die vom Mittagessen übrig geblieben waren. Alles war sehr gut, aber die absolute Krönung stellte der Himbeerkuchen zum Dessert dar, den ich schon mittags auf dem Tisch beäugt hatte. Nach diesem tollen Essen entschuldigte sich Madame noch dafür, dass sie wegen des großen Mittagsessens mit Gästen nur Kleinigkeiten gekocht habe (!)

Ich hatte mich dazu durchgerungen, die Via Gebennensis in La Côte zu beenden und danach nach Lyon zu fahren, wo ich übernachten und dann nach Hause reisen wollte. Neben den beschriebenen gesundheitlichen Problemen und der nicht nachlassenden Hitze war es mir nicht gelungen, weitere Unterkünfte für die Fortsetzung des Weges zu buchen.

Madame wollte mich dazu überreden, noch einige Tage zu pilgern. Sie erwähnte eine Zugverbindung, die von Chavannay gut zu erreichen war und fragte mich, wo ich hinter La Côte als Nächstes übernachten würde. Vorsichtig geworden nannte ich einen Ort in 14 km Entfernung. Sofort telefonierte die reizende Dame des Hauses mit dem dortigen AJ und fragte, ob man mich aufnehmen könne. Ich merkte gleich, dass der Herr zögerte. Madame machte noch ein bisschen Werbung für mich (“ ist sehr nett, spricht gut Französisch“ etc.). Der Gastgeber wollte sich dann noch einmal melden, was er dann am späteren Abend tat, als er per SMS absagte, da er private Gäste habe. Damit stand meine Entscheidung fest.

Ich hatte befürchtet, dass mich ein Abend mit französischer Konversation sehr anstrengen würde, aber es hatte richtig Spaß gemacht, mich mit den außergewöhnlich netten Menschen zu unterhalten. Allerdings fühlte ich mich körperlich und geistig etwas ausgepowert, als ich zu Bett ging.

Über euer Feedback freue ich mich immer sehr.

Auf dem Französischen Jakobsweg #9 erschien zuerst auf Wanderlustig.

10 Kommentare zu „Auf dem Französischen Jakobsweg #9

  1. By just looking at that amazing blue sky, I can imagine it was really hot! And sometimes your body just telling you: Enough is enough. It’s great that you were welcomed on short notice into the AJ … at least you had a wonderful dinner!

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