Auf dem Münchner Jakobsweg (11)

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8.10.2019 – Von Stiefenhofen  nach Scheidegg, ca. 20 km

Nun lässt es der Camino richtig krachen! Auf dem Münchner Jakobsweg  bin ich im Oktober mehrmals völlig  durchnässt worden.  Die Einkehrmöglichkeiten waren ein Trauerspiel: an mehreren Tagen gab es überhaupt nichts. Aber heute ist es nur stark bewölkt, dazwischen gibt es etwas Sonne, ab und zu fallen ein paar Tropfen, die kein Regenzeug erfordern, und in den Wolken entdecke ich einen zarten Regenbogen.
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Und das ist die Krönung: Ich sitze in Börser-Scheidegg in einem Café bei Latte Macchiato und einer köstlichen herb-süßen Biskuitrolle mit Schwarzer-Johannisbeer-Sahne. Die Gaststube ist im Stil der 60er Jahre eingerichtet. Am Nebentisch spielen drei ältere Damen Doppelkopf und fluchen dabei lautstark im Dialekt wie Pferdekutscher. Die freundliche Wirtin spricht mich tatsächlich an und und fragt, ob ich auf dem Jakobsweg pilgere und wie weit ich schon gelaufen bin. Toll, dass sich mal jemand interessiert! Ich erzähle ihr, dass ich schon sehr lange keine Jakobspilger mehr getroffen habe. Doch es gäbe sie schon, sie sehe einige pro Tag, aber nur wenige in dieser Jahreszeit.  „Wie weit ist es noch nach Scheidegg ?“ frage ich. Sie entgegnet, dass sie „auf Scheidegg“ bis zur Schule in 30 Minuten läuft.  Gut regeneriert breche ich auf, mein heutiges Ziel habe ich fast erreicht.
Jakobsweg3 (169)Morgens in Stiefenhofen hatte ich meinen inneren Schweinehund besiegt, indem ich keine Abkürzung wählte, sondern direkt zum Jakobsweg zurückging. Am Vortag hatte ich mir die spätgotische Kapelle in Zell gespart, um schneller zu meiner Unterkunft in Stiefenhofen zu kommen Auf dem Münchner Jakobsweg (10)
Nun fühlte ich mich gut ausgeruht und wollte ich nicht auch noch auf die Kirche St. Stephan in Genhofen bei Oberstaufen verzichten, wo es interessante Wandmalereien aus dem 16./17.Jahrhundert zu bewundern geben sollte. Das Sträßchen nach Genhofen führte durch eine landwirtschaftlich geprägte Gegend und war überhaupt nicht befahren. Auch die Bewohner waren nirgends zu sehen. Allerdings begleiteten mich ihre guten Wünsche.
Jakobsweg3 (127)Jakobsweg3 (130)Von weitem sah ich mit Bestürzung, dass die Kapelle von Genhofen vollkommen eingerüstet war. Beim Näherkommen entdeckte ich, dass die Kirchentüre offen stand.  Vorsichtig trat ich ins Kircheninnere. Die Handwerker, die an der Außenfassade arbeiteten,  hinderten mich nicht daran, womit ich eigentlich gerechnet hatte. Der Innenraum des Gotteshauses  schien völlig ausgeräumt zu sein. Durch eine Tür in einer Stoffabdeckung gelangte ich in die Apsis, wo ich den wunderschönen Hauptaltar aus dem 16. Jahrhundert mit Figuren der Muttergottes und von Heiligen bewunderte.  Im Pilgerführer stand, dass sich der Pilgerstempel hinter dem Altar im Beichtstuhl befände. Dieser stand tatsächlich noch dort, aber einen Stempel fand ich nicht. Aber die interessanten spätgotischen Fresken mit Wappen, Jagdszenen, Sonnenkreuzen und  vorchristliche Kultzeichen und Symbolen konnte ich bewundern.

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Draußen sah ich kein Wegzeichen. Es befand sich wahrscheinlich hinter dem Gerüst. Daher fragte ich die Arbeiter, die freundlich antworteten und die es nicht zu kümmern schien, dass ich in der Baustelle herum lief.
Der Weg führte durch ein Sägewerk, das verlassen schien. Dann kam ich zu einem Bauernhof. Davor stand ein Bauersfrau, die, bevor ich gefragt hatte, die Richtung zeigte und  „Da lang!“ rief.
Im nächsten Ort Hopfen setzte sich das fort. Als ich vor der  Kapelle St. Martin stand, kam sofort der Anwohner mit dem Schlüssel angelaufen. Auch einen Stempel gab es.
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Im Käselädele von Hopfen wurde eine aromatisch duftende Käseauswahl angeboten. Leider konnte ich nicht richtig zuschlagen, weil ich mit dem Rucksack unterwegs war. Also kaufte ich nur ein kleines Stück Allgäuer Emmentaler für meine nächste Brotzeit. Eine Einkehrmöglichkeit gab es nicht im Lädele. Ich bestellte frische Buttermilch, das einzige angebotene Getränk,  und setzte mich damit auf die Bank vor dem Geschäft. Die Milch war lauwarm und schmeckte anders als die aus dem Supermarkt. Nicht schlecht, aber doch gewöhnungsbedürftig. Nun ja, wenigstens würde mir das Kraft für die Wanderung geben, dachte ich.  Nach kurzer Zeit wurde es mir allerdings schlecht. Es ging aber schnell wieder vorbei.
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In Simmerberg kam ich um die Mittagszeit an. Nach einem kleinen Rundgang legte  ich eine Mittagspause im  Brauereigasthof ein. In der urigen Gaststube konnte man sogar beim Bierbrauen zuschauen. Mittags eine volle Mahlzeit zu essen, war ich nicht mehr gewohnt. Eigentlich wollte ich mir nur einen Snack bestellen, aber das gab die Speisekarte, die österreichisch beeinflußt war, nicht her. Das Backhendl mit Salat und Kürbiskernöl fand ich lecker, aber es gab zu viel paniertes Fleisch für meinen Geschmack.
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Hinter dem Ort folgte der Weg lange kleinen Straßen und führte auch ein kleines Stück an der B 308 entlang. „Na super,“ dachte ich und überlegte, ob ich wieder einmal ein bißchen fluchen sollte. Hinter dem nächsten Ort Hasenried ging es dann sehr steil hinunter, teilweise auf einem rutschig gerölligen Waldpfad. Das war garnicht mein Ding und ich fragte mich, worüber ich mich eigentlich vorher aufgeregt hatte.
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Kurz danach lief es sich sehr lauschig immer am Bach entlang bis nach Weiler. Der Camino bot mir gerade viele neue Eindrücke. Die Einkehrmöglichkeiten in dem  hübschen Ort  ließ ich links liegen, hatte überhaupt keinen Hunger.
Jakobsweg3 (162)Jakobsweg3 (160)Jakobsweg3 (163)Dann lief ich über Ortsteile von Weiler hinauf zur Altenburg. Als es nun zum ersten Mal an diesem Tag richtig bergauf ging, merkte ich, dass ich doch nicht so fit wie gedacht war. Außerdem begann es gerade zu tröpfeln, so dass ich schneller aufstieg und dadurch erst recht zu schnaufen begann. Die Ruine Altenburg fand ich zuerst nicht, obwohl ein kleiner Pfad ausgeschildert war. Viel zu sehen gab es nicht, die Steine der verfallenen Burg waren größtenteils für den Kirchenbau verwendet worden. Im schattigen Wald erzeugten die von der Vegetation fast überwuchterten Steinhaufen eine fast verwunschene Atmosphäre. 
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Weiter ging es, immer schön bergauf, nach Börserscheidegg, wo ich eine sehr angenehme Kaffeepause verbrachte (s.o.). Als ich aus dem Lokal trat, schien die Sonne. Es gab schöne Alpenblicke und mit ein bisschen Phantasie konnte man den nähergerückten Bodensee ahnen.Jakobsweg3 (166)Jakobsweg3 (170)

Das Höhenprofil im Pilgerführer hätte mich warnen sollen …   Auf den letzten fünf Kilometern  musste ich immer wieder aufsteigen, auch noch innerhalb von Scheidegg und zwar bis zu der von der Wirtin in Börserscheidegg erwähnten Schule. Für die Strecke brauchte ich viel länger als eine halbe Stunde. Um das zu schaffen, darf man nicht mit Rucksack gehen und eine stundenlange Wanderung sollte man auch nicht hinter sich haben. Oder man läuft wie die Einheimischen schon ein ganzes Leben lang auf solchen bergigen Wegen.
In Scheidegg schaute ich mir die Kirche an und ging dann zu meiner Unterkunft, die dankenswerterweise direkt gegenüberlag.
Was für ein abwechselungsreicher vorletzter Tag auf dem Münchner Jakobsweg !

Wie geht es euch beim Wandern auf Fernwegen, lauft ihr lieber bergauf oder bergab ?

Über eure Kommentare und Likes freue ich mich immer sehr.

Wollt ihr wissen, ob ich es bis Lindau geschafft hebe, dann schaut mal hier nach :

https://wanderlustig2019.wordpress.com/2020/02/03/finale-auf-dem-muenchner-jakobsweg/

Auf dem Münchner Jakobsweg (10)

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7.10.2019  Von Weitnau nach Stiefenhofen, ca. 20 Km

„Nein, nicht schon wieder ! “ rufe ich laut in den menschenleeren Wald hinein. Der Pilgerführer hat mir prophezeit, dass es heute immer nach Erreichen einer „Ansteigung“ sofort wieder bergab geht. Leider allzu wahr ! Obwohl ca. 800 Höhenmeter zu bewältigen sind, liegen der Start und das Ziel der heutigen Etappe auf gleicher Höhe. Gestern  habe ich mich noch beklagt, dass der Wegverlauf und das Wetter eintönig  waren. Das ist heute überhaupt nicht der Fall! Auch das Wetter bietet mir viel Abwechslung. Vom Platzregen, über Nebel und Sonne ist alles dabei. „ Camino provides“? Aber dabei geht es doch um nur Positives, oder ? Heute handelt es sich eher um eine wilde Mischung.

Als ich morgens in Weitnau startete, sah ich einige Löcher in der Wolkendecke und freute mich auf besseres Wetter. Nach knapp 20 Minuten fing es an zu nieseln. Auf einer Bank auf einer Lichtung  zog ich mein Regenzeug an. Währenddessen begann es richtig zu schütten und ich wurde beim Umziehen ziemlich nass. Nach einer kurzen Strecke durch den Wald stellte ich mich bei einer großen Schutzhütte unter. Also doch, „Camino provides“ !

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Dort fror ich ziemlich schnell. Nachdem der Regen etwas nachgelassen hatte, ging ich schnell weiter. Nun begann der im Pilgerbuch angekündigte Wechsel zwischen Bergauf- und Bergablaufen. Dann musste ich auch noch einen steilen Matschweg hinunterschlittern. Als ich mich gerade bitterlich beklagen wollte, weil ich das überhaupt nicht schätze, schien plötzlich wieder die Sonne. Nebelfetzen, die in den Baumkronen hingen, stiegen sehr fotogen nach oben.
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Vom nächsten Ort Williams erhoffte ich mir eine gemütliche Einkehr. Zwar wusste ich schon, dass das beste Restaurant Ruhetag hatte, aber da würde es bestimmt noch eine andere Möglichkeit geben. An einigen Skiliften kam ich vorbei und sah dort auch Restaurants. Wie die Lifte waren die Gaststätten leider außerhalb der Saison geschlossen. Auch meine Nachfrage bei Einheimischen brachte nichts. In einem anderen Ortsteil, der kilometerweit entfernt war, gab es wohl etwas aber in Williams nicht.
Eine freundliche Bäurin konnte mir auch nicht helfen, aber sie zeigte mir, wo der Jakobsweg wieder aus dem Dorf hinausführte. Leider war auch die Kapelle von Williams geschlossen, so dass ich keinen Pilgerstempel bekam.
Hinter dem Ort ging es zunächst bergab und dann ca. 1 km steil bergauf nach Aigis. Auch hier gab es keine Einkehrmöglichkeit und der Ort war wie ausgestorben. Vor einem Aussiedlerhof befand sich ein idyllischer Picknickplatz mit Holztisch und Bänken. Dort ließ ich mich nieder und packte meine Brotzeit aus. Neben der Bank lag ein kleiner Gedenkstein für ein verstorbenes Ehepaar mit der Aufschrift „Zu Hause waren sie in ihren geliebten Bergen“ . Als ich den Stein betrachtete und mir überlegte, ob es sich wohl um langjährige Feriengäste gehandelt hatte, sah ich die darauf fallenden Regentropfen. Fluchend legte ich mein Raingear wieder an. Meine Brotzeit nahm ich auf die Hand und flüchtete in den Wald. Der Camino machte mir mal wieder keinen Spaß !

Im Wald war niemand unterwegs und das sollte stundenlang so bleiben. Einige Male fehlte die Beschilderung an den Abzweigungen. Mir grauste davor, dass ich mich verirren könnte. Das Handynetz hatte sich passenderweise auch gerade wieder verabschiedet.Wer würde mich finden, wenn ich mich verletzte ?  Dem Rat des Pilgerbuchs folgend, dass man sich auf dieser Strecke an Weggabelungen immer links halten solle, fand ich den Weg. Bis Geratsried ging es wieder munter, teilweise steil, bergauf und gleich wieder bergab . Dort stand ich erneut vor einer geschlossenen Kapelle.
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Hinter dem Ort musste ich noch einmal steil bergauf gehen. Japsend erreichte ich einen großen Bauernhof. Wieder war keine Menschenseele zu sehen. Dann kam ich an eine Weide mit Kälbern. Die Tiere kamen sofort angallopiert und folgten mir soweit die Wiese am Weg entlang führte.
P1040376Diese nette Begegnung baute mich auf . Dann kam auch noch die Sonne heraus. Schließlich entdeckte ich eine sonnige Bank auf einer Anhöhe mit einer wunderbaren Aussicht auf leuchtend grüne Allgäuweiden. Dort setzte ich meine Brotzeit fort und  die Welt war wieder in Ordnung.
P1040380Obwohl es von nun an bergab ging, entschied ich mich für die Abkürzung nach Stiefenhofen, wo ich meine Unterkunft gebucht hatte. Dabei ließ ich die gotische Kapelle in Zell aus.  Schon wieder kein Stempel ! Aber nach meinen Erfahrungen im Allgäu war ich mir nicht sicher, ob die Kirche geöffnet sein würde. Auf dem Allgäu Radweg lief ich bis Stiefenhofen, das fast drei Kilometer vom Jakobsweg entfernt liegt. Der Weg folgte der Bahnstrecke von Lindau nach München und einmal fuhr ein Zug vorbei. Ansonsten handelte es sich um eine sehr schöne Strecke am Bach, die ich bei schönstem Sonnenschein zurücklegte.
Nur der letzte Kilometer nach Stiefenhofen verlangte mir Einiges ab. Es ging noch einmal richtig steil nach oben.
Als ich ziemlich erledigt im Hotel ankam, fragte mich der Gastwirt, wie weit ich gegangen war und wie lange ich gebraucht hatte (sechs Stunden plus Pausen) und meinte dann, soo lange würde er nicht brauchen (!).
Bei einem sehr schmackhaften Abendessen in der gemütlichen und gut besuchten Gastwirtschaft erholte ich mich von den Strapazen. An meinem Tisch unterhielt ich mich mit zwei Frauen. Die eine besuchte ihre Freundin, die in der Nähe wohnte, und sie wollte am nächsten Tag zunächst Richtung Lindau pilgern und dann über den Jakobsweg zurück in den heimatlichen Schwarzwald. Schade, dass ich die nette Frau auf dem Weg nicht wieder getroffen habe.

Wart ihr schon einmal alleine auf einem Fernwanderweg unterwegs und wie ging es euch ?
Über eure Kommentare und eure Likes freue ich mich immer sehr.

Unso ging es weiter :

https://wanderlustig2019.wordpress.com/2020/01/19/auf-dem-muenchner-jakobsweg-11/